Ich habe mich bei zet für ein Praktikum beworben und bin bei den alten Griechen gelandet. An manchen Tagen auch bei den Römern, bei Robert Musil, dann bei Feuerbach, Büchner, Sokrates. Ursprünglich wollte ich texten.
Heute kommt Michael ins Atelier und zitiert den Ring des Polykrates. Wenn man nicht aufpasst, soll man selbst weiterzitieren oder hat die Frage am Hals, wer denn das Stück geschrieben hat. Im Zweifel ist das nicht Goethe sondern Schiller, den mögen wir lieber. Auf wackligen Wikipedia-Stelzen weiche ich aus. Ich hatte mit mehr Schein als Sein gerechnet: Koksende Porschefahrer, maßlos Gel im Haar, Work-Work-Balance – eine Werbeagentur wie im Bilderbuch eben. Aber das Feedback zu meinen Texten erfolgt auf Latein: „Difficile est satiram non scribere.“ Die Satire lauert überall.
Jede Mittagspause löse ich mit den alten Griechen Quizfragen. Ich mache das sehr gerne, denn sonst zieht mir jemand meinen Teller weg. So aber schwindet nur der Boden unter den Füßen. Wer ist Farrokh Bulsara? Wie heißen die Monde des Mars? Wie die Hauptstadt von Burkina Faso und von seinen Nachbarstaaten – und den Nachbarsnachbarsstaaten? Und sowieso? Die Augen der Kolleginnen leuchten, meine sehen rot. Doch jetzt kommt was Profanes: Gemüse- und Obstsorten raten. My time is now. Was muss man vorm Verzehr kochen? Kartoffel! … ist grün und rot? Kartoffel! …gilt als Obst, obwohl es zu den Gemüsen zählt…? Kartoffel! Kartoffel! War das jetzt hysterisch – oder gar Rhabarber? Ich fange an, die Quizkarten selbst vorzulesen. Die Antworten kenn ich eh alle.
An meinem letzten Tag versieht mich Michael mit einem fragwürdigen Lob: „Hast dich angepasst wie ein Chamäleon“. Leila zuckt zusammen: „Chamäleons brauchen verhältnismäßig lange, um ihre Farbe an die Umgebung anzupassen, der Oktopus ist da viel schneller.“ Recht hat sie.